Spuren der deutsch-französischen Geschichte in der Architektur

Erstmal gibt es ein paar historische Ereignisse: In der Neuzeit gab es zahlreiche Herrschaftswechsel in Straßburg. Bis 1870 gehörte Straßburg zu Frankreich, woraufhin eine deutsche Herrschaft unter Kaiser Wilhelm I. bis 1918 folgte. Danach ging Straßburg für 22 Jahre wieder an Frankreich und wurde Anfang 1940 bis Ende des zweiten Weltkrieges erneut von Deutschland unter den Nationalsozialisten geführt. In Straßburg spricht man eher von einem französisch geprägten Baustil mit vereinzelten deutschen Spuren, da die Stadt doch hauptsächlich französisch war und im regionalen neuzeitlichen Stil erbaut worden ist. Diese „deutschen Spuren“ sind vor allem in „La Neustadt“, auch als deutsches Viertel genannt, zu erkennen.

Nach Ende des deutsch-französischen Krieges wurde Straßburg die Hauptstadt von Elsass-Lothringen im neu gegründeten Deutschen Reich, was dazu führte, dass die Fläche der Stadt verdreifacht wurde und ein komplett neuer Stadtteil im Gründerzeitstil errichtet wurde – „La Neustadt“. Der Bau des Viertels dauerte von 1880 bis ca. 1950, wobei fast 10 000 neue Gebäude gebaut wurden. Diese dienten jedoch nicht zur Schaffung von neuem Wohnraum, sondern eher zur Machtdemonstration der Deutschen, deren Ziel war es, eine Stadt zu erbauen, die Ingenieurskunst, Architektur und Städtebau in sich vereinigt. Darunter entstanden breite Straßen, Alleen, Parks, Gärten und Hauptverkehrswege wie die Avenue d’Alsace. Die ehemalige Kaiser-Wilhelm-Straße, heute Avenue de la Liberté, ist mit 30m Breite eine der am großzügigsten angelegten Straßen und befindet sich gegenüber dem Palais du Rhin, dem Regierungssitz. Dieser Kaiserpalast wurde von 1884 bis 1889 erbaut, als Sitz für den deutschen Kaiser Wilhelm. Der im Neorenaissancestil erbaute Palast ist dem Florenzer Palazzo Pitti nachempfunden, wurde jedoch nur sporadisch von Wilhelm II. genutzt, der sich einmal jährlich dort aufhielt, wobei ihn die Architektur des Baus an das Elefantenhaus im Berliner Zoo erinnerte. Generell sind in der Neustadt starke Parallelen zum Alten Berlin zu sehen, was vor allem an den Berliner Architekten und Städteplanern liegt, welche den Auftrag der Planung des neuen Stadtteils bekamen.   

Im Kontrast zu der protzigen Architektur in der Neustadt stehen die Kommunalbauten im Gerberviertel La petite France. Es wurde im Mittelalter in drei separaten Einheiten gebaut, welche durch Brücken verbunden werden. Das Viertel war weniger angesehen und vor allem von Gerbern, Fischern, Müllern, Henkern und Prostituierten bewohnt, von denen einige die Kanäle der Ill bewirtschafteten. Die Armut führte zum Bau der Häuser in Fachwerkform, was damals billiger war und heute dem Viertel seinen einzigartigen Charakter verleiht. Den Namen erhielt das Viertel durch ein Hospital für Syphilis-Erkrankte, welches im Volksmund „zum Französl“ genannt wurde und Syphilis somit als Französische Krankheit darstellte. Trotz zahlreicher Namensänderungen des Hospitals hielt sich der Name „la Petite France“ für das komplette Viertel bis in die heutige Zeit. Als Fallbeispiel für den Fachwerkbau dient hier das Gerberhaus (Tanners House), welches 1572 während der Renaissance in Straßburg errichtet wurde. Die ehemalige Gerberei ist im oben genannten Fachwerkstil, welcher typisch für Straßburg in dieser Zeit war, erbaut. Es besteht aus zwei Etagen mit unterschiedlichen Volumina. Wichtig ist der für Gerber notwendige belüftete Dachstuhl, der zum Trocknen der Tierhäute benutzt wurde. Heute befindet sich dort ein regionales Restaurant. 

Bildquelle aus eigenen Aufnahmen

Abschließend kann man sagen, dass die beiden Viertel gegensätzlicher nicht sein könnten und so perfekt als Beispiele für ebendiesen Kontrast zwischen den Einflüssen geeignet sind. Beide Viertel sind übrigens Weltkulturerbe. 

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