Kriegsgefangenenlager Grafenwöhr – eines der größten Kriegsgefangenenlager Bayerns

Französische Kriegsgefangene beim Einkauf von Baguette – solche Fotos waren meist nur gestellt und dienten als Propaganda

Als US-Präsident Donald Trump im Juni dieses Jahres ankündigte, einen Teil der US-Truppen aus Deutschland nach Amerika zu holen, war der Schock in Grafenwöhr groß. Das kleine Dorf in der Oberpfalz hat zwar nur gute 6.000 Einwohner, dazu kommen allerdings 30.000 US-Soldaten, welche auf dem Truppenübungsplatz stationiert sind. Rund 3.300 Grafenwöhrer werden auf dem Truppenübungsplatz beschäftigt. Als die Nachricht kam, dass US-Truppen abgezogen werden sollten, war die Sorge groß, einige Arbeitsplätze und feste Einnahmenquellen in Gaststätten oder Hotels zu verlieren.

In Grafenwöhr war das Verhältnis der Einheimischen und der Ansässigen im Truppenübungsplatz allerdings nicht immer so gut. Im Ersten Weltkrieg wurde der Truppenübungsplatz als Kriegsgefangenenlager genutzt und war zwischenzeitlich sogar eines der größten in ganz Bayern. 1914 wurde es auch durch die Mithilfe einiger Insassen errichtet. Ende 1914 beherbergte es über 21.500 russische und französische Soldaten und mehr als 1.600 zivile Gefangene, von welchen knapp 100 noch minderjährig waren. Sein Ende fand es im Jahre 1918, als es aufgrund von zahlreichen Auslagerungen in Arbeitsstellen nach Bayreuth verlagert wurde.

Das Lager bestand aus drei Haupt-Aufteilungen, das Stalllager, das Hüttenlager und einer Zivilgefangenen-Kompanie.

  1. Das Stalllager

Das Stalllager bestand aus alten Pferdestallungen, Reithäusern und Schmieden. Dort waren nur französische und wenige belgische Kriegsgefangene untergebracht. Die damit entstandenen Probleme waren unter anderem die Kälte im Winter und die Dunkelheit in den Räumen, da die Ställe nicht dafür ausgelegt waren, darin zu hausen. Die Kälte im Winter wurde teilweise unerträglich, da in den Behausungen kein Boden eingebaut war, sondern nur ein steinerner Untergrund vorhanden war. Dieser wurde natürlich im Winter sehr schnell sehr kalt, wodurch viele Gefangene auch krank wurden und im Lazarett untergebracht werden mussten. Schlafen konnten die Gefangenen anfangs nur auf Strohsäcken, später dann auf selbst angefertigten Pritschen. Im gesamten Stalllager waren rund 10 Kompanien untergebracht, also circa 12.000 Mann, welche durch Stacheldraht getrennt wurden. Sie teilten sich alle gemeinsam zwei Waschbaracken und eine Warmbadeanstalt, in welchen sie sich zwei mal im Monat waschen durften. Im Sommer wurde dazu der naheliegende Grünhundweiher benutzt. Außerdem stand allen Gefangenen ein Gemüsegarten zur Selbstversorgung, einen Platz zum Wäsche aufhängen, mehrere Küchen in alten Schmieden, eine Schreibstube, ein Handwerkraum und ein Haarschneideraum zur Verfügung. Jedes Lager hatte zudem eine eigene Poststelle, welche im Stalllager viel beschäftigt war. So kamen in Hochzeiten 7.000 Pakete pro Tag an und mehr als 6.000 wurden verschickt. Außerdem gab es im Stalllager noch ein Notlazarett.

2. Das Lazarett

Das Lazarett, welches allen Gefangenen zugeteilt war, war teilweise völlig ausgelastet, was auf die mangelnde Hygiene im Lager zurückzuführen ist. Dadurch, dass viele Menschen auf sehr engem Raum untergebracht waren, konnten sich Krankheiten optimal verbreiten. Im Falle der Überbelastung wurde die Munitionsanstalt in ein Notfalls-Lazarett umgebaut, wo die Bedingungen hinsichtlich Hygiene allerdings auch nicht ideal waren. Da man damals auch schon von der Wirksamkeit einer Quarantäne wusste, wurde der Ringbahnhof, aufgrund seiner abgelegenen Lage, als Quarantäne- und Isolier-Station genutzt.

3. Das Hüttenlager

Die russischen Gefangenen wurden im Hüttenlager untergebracht. Dieses bestand aus von den Russen selbst erbauten, Holzbaracken. Allerdings waren die Bedingungen auch im Hüttenlager sehr schlecht, so mussten die Gefangenen auf feuchten Strohsäcken schlafen und täglich Züchtigungen über sich ergehen lassen. Eine Poststelle kam im “Russenlager”, wie es von den Einheimischen genannt wurde, erst später dazu.

4. Das Zivilgefangenenlager

Besonders außergewöhnlich war ein Zivilgefangenenlager in Grafenwöhr. Dort waren keine Soldaten, sondern rund 1.300 Männer, Frauen und Kinder untergebracht, welche aufgrund von Kampfhandlungen hinter der Front, gefangen genommen worden sind. In diesem Lager gab es neben einer Küche und einem Verkaufsraum auch eine Schule für die Kinder und eine Werkstatt.

5. Arbeit der Gefangenen

Neben Briefe schreiben und schlafen hatten die Kriegsgefangenen aber auch noch andere Sachen zu tun. Wie schon vorher angesprochen, waren die russischen Gefangenen gezwungen ihr Hüttenlager selbst aufzubauen. Auch wurden rund 200 Franzosen neben dem Kriegsgefangenenlager zum Torfstechen eingesetzt. Torf wurde zur damaligen Zeit als Brennstoff eingesetzt, gilt heute allerdings als veraltet und nicht mehr praktikabel. Der Rest der Gefangenen wurde hauptsächlich für kleine Alltagsarbeiten eingesetzt. 1915 allerdings änderte sich das. Nun wurden immer mehr Kriegsgefangene an anderen Orten außerhalb des Kriegsgefangenenlagers gebraucht. Zuerst wurden diese nur in Grafenwöhr selbst eingesetzt. Dort konnte man auf Antrag Gefangene für Feld- und Forstarbeiten “bestellen”. Im Verlaufe der Zeit wurden die Arbeitskräfte auch immer weiter weg gefragter. So wurden zum Beispiel in Wackersdorf Franzosen zum Braunkohleabbau eingesetzt. Ein Teil der Russen musste in Elsass in Bergwerken arbeiten oder wurde außerhalb von Bayern in der Landwirtschaft eingesetzt. Da allerdings immer ein Teil der Gefangenen im Lager zurückbleiben musste, um den Betrieb aufrecht zu erhalten, wurden diese auch bei Arbeiten innerhalb des Ortes Grafenwöhr eingesetzt, welche selbst heute, mehr als 100 Jahre später noch erhalten sind.

6.Kontakt mit der Bevölkerung

In den frühen Jahren des Kriegsgefangenenlager versuchten immer wieder Einwohner des Ortes Grafenwöhr den bemitleidenswerten Kriegsgefangenen einzelne Gegenstände wie Essen zuzustecken. Aber schon 5.9.1914 wurde der Zutritt für Zivilpersonen in das Lager verboten. Als 1915 einige Häftlinge außerhalb des Lagers arbeiteten, kam es wieder zu einzelnen Kontakten mit den Gefangenen. Allerdings gab es auch hier strenge Regeln, welche das Ganze etwas schwierig gestalteten. 1917 jedoch wurde jeglicher Kontakt zur Außenwelt für die Insassen verboten. Bei Verstoß gegen dieses Gesetz wurden auch drastische Strafen verhängt: So ist bekannt, dass ein Grafenwöhrer eine Haftstrafe von 3 Monaten absitzen musste. Eine weitere Frau wurde vor Gericht gestellt aufgrund von “unerlaubten Verkehrs mit Kriegsgefangenen”.

7. Propaganda mithilfe von Bildern

Durch das Verbot des Kontaktes mit den Kriegsgefangenen gelangten auch immer weniger Informationen nach außen. Auch Fotos gab es immer weniger. Zusätzlich wurde noch ein Fotografierverbot aus Berlin verordnet. Das bayerische Kriegsministerium setzte dieses Verbot allerdings nicht zu 100% durch. Es wurden dann nur noch Fotos von Häftlingen ohne Wachtposten erlaubt. In Grafenwöhr war von Anfang an das Fotohaus Spahn dazu beauftragt als Militärfotograf zu arbeiten. Von diesem sind auch die meisten überlieferten Bilder aus jener Zeit. Die meisten Bilder zeigen allerdings nicht die Realität und wurden zu Propagandazwecken eingesetzt. So wird heutzutage stark angezweifelt, dass es wirklich eine Versorgung mit Baguette für Franzosen gab oder die Gefangenen ihren Alltag mit Fußball verschönerten. Einzelne Bilder wurden sogar im Nachhinein koloriert und als Postkarten verkauft und sollten angenehme Bedingungen für die Kriegsgefangenen simulieren.

Kriegsgefangene beim Fußballspielen
Kriegsgefangene bei der Arbeit; Postkarte

Autor: Marius

Informationsquellen:

1. Archiv Kultur- und Militärmuseum Grafenwöhr; Grafenwöhrer G´schichterler November 2020; https://www.museum-grafenwoehr.de/de/heimatverein/grafenwoehrer-g-schichterler

2. Heimatforschung Regensburg; “Das Kriegsgefangenenlager Grafenwöhr- zu Beginn des ersten Weltkrieges größtes Gefangenenlager Bayerns” Gerhard Müller; https://www.heimatforschung-regensburg.de/2282/

3. https://www.tagesschau.de/ausland/us-truppenabzug-101.html

Bildquellen: Archiv Kultur- und Militärmuseum Grafenwöhr (mit freundlicher Genehmigung)